ALLESAMT
NENZING
Wie allerorten wächst auch in Nenzing die Nachfrage nach Kinderbetreuung und darüber hinaus nach Beratung und Unterstützung für Familien. Nahe des Ortszentrums hat die Marktgemeinde diese beiden Funktionen nun in einem Gebäude zusammengefasst: das Familienzentrum „Allesamt“ mit Kleinkinderbetreuung, Kindergarten und großzügigem Beratungsbereich für Eltern und Familien. Wer im Walgau mit dem Zug unterwegs ist, hat den Neubau sicherlich schon im Vorbeifahren gesehen. Vor, bzw. kurz nach dem Bahnhof Nenzing, direkt an der Bahnlinie, steht der markante Holzbau des Architekten Christian Schmoelz.
Neben der noch unvergrauten Fichtenholzfassade fallen direkt die bogenförmigen Fenster und die deutlichen Rücksprünge der Fassade ins Auge. Der langgezogene Baukörper teilt sich so optisch in vier kleinere Volumen. Diese Entwurfsidee hat gleich zwei gute Gründe. Zum einen passt sich dadurch die große Struktur besser in die Umgebung ein – die ansonsten von Einfamilienhäusern geprägt ist. Zum anderen konnte damit auf den alten Baumbestand (Ahorn und Föhren) auf dem Grundstück, vor allem nördlich und östlich vom Gebäude, reagiert werden. Damit ist klar, auch die Außenraum- und Umgebungsgestaltung ist ein wichtiger Teil des Entwurfskonzepts. Die Wegführung für die Kinder ist mit einem neuen hellen Belag und im verringernden Abstand gesetzten punktförmigen Bodenmarkierung weit über die Grundstücksgrenze hinaus vorgezeichnet. Punkte und Belag führen an den Fahrradabstellplätzen vorbei in den Spielhof. Von hier aus betreten die Kinder über drei Eingänge und drei Garderoben ihr jeweiliges Haus. Dann geht es über eine Treppe nach oben. Ungewöhnlicherweise befindet sich der Spiel- und Aufenthaltsbereich der Kinder im ersten Obergeschoß. Ganz wichtig, Kinder müssen auch lernen, Treppen zu steigen. Mit etwas Unterstützung durch Absturzsicherungen und vor allem Betreuerinnen, die die Mehrgeschoßigkeit als räumliche und pädagogische Qualität wahrnehmen, lässt sich ein eingeschoßiger Kindergartenbau – und der damit erhöhte Bodenverbrauch – kaum noch argumentieren. Mit dieser Entscheidung sind fast alle Themenräume auf einer Ebene untergebracht und interagieren auch ideal mit dem pädagogischen Konzept: die Kinder sind nämlich keiner festen Gruppe zugeteilt, sondern können sich auf ihrer Ebene frei bewegen.
Die Idee, die Funktion der Räume nach den Parzellen der Gemeinde zu benennen (z.B. Gusto für Gurtis, Heia für Heimat, Bewegung für Beschling) greift auch die Signaletik kongenial auf. Im Erdgeschoß befinden sich die weiteren Neben- und Zusatzräume. Im Westen, mit eigenem Zugang vom Vorplatz, das von der Connexia (Sozialdienstleister) und der Gemeinde betriebene Beratungszentrum. Damit verbunden der Eingangsbereich der Mitarbeiterinnen, Essen und Kochen (Gusto), WC’s, Werkraum und ganz im Osten ein Aufenthaltsraum für das Personal und der Schlafbereich (Heia) der Allerkleinsten.
Konstruktiv handelt sich um einen Ständer-Holzbau auf einem Stahlbetonkeller. Fenster und Fassadenlattung sind aus Fichte, im Innenraum dominiert das Holz der Esche: am Boden, im Täfer und in den Einbaumöbeln. Erwähnenswert sind zuletzt die beachtlichen 936 Punkte (von 1000 möglichen) im Kommunalen Gebäudeausweis (KGA) und die vorbildliche Zusammenarbeit zwischen den Vertreterinnen der Bauherr und Nutzerschaft und der Architektur. Funktionale, räumliche und gestalterische Entscheidungen wurden immer in enger Abstimmung getroffen. Text: Clemens Quirin/VAI
Wettbewerb 1.Preis 2020
Planung und Realisierung: 2020-2024
BGF 2.494M2 BRI 10.141M3 BK 7.5M
Auftraggeber | Projeksteuerung | Pädagogisches Konzept: Marktgemeinde Nenzing | Edwin Gassner | Gerlinde Sammer
Mitarbeit Architektur: Rüya Aydede-Francesko M.Sc. Arch | Desiree Kobald B.Sc. Arch | Tapiwa Mirirai Manase-Rusch M.Sc.Arch | Andreas Stickel
Tragwerk: Dr. Brugger & Partner ZT GmbH, Bludenz
Haustechnik: Technisches Büro Herbert Roth, Lauterach
Elektrotechnik: ek-plan, Nenzing
Bauphysik & Bauökologie: Spektrum, Dornbirn & Siegfried Lerchbaumer
KGA Prozessbegleitung: Gemeindverband DI Dietmar Lenz,
DornbirnBaumsachverständiger: Christoph Ölz | Gehölz, Dornbirn
Naturnahes Bauen: pulswerk GmbH, Katrin Löning, Bregenz
Freiraum Planung und Ausführung: Markus Burtscher, Frastanz
Beratung Sonnenschutz: GBD Projekts, Dornbirn | Jörg Hollenstein Höchst
Signaletik und Farben: Atelier Andrea Gassner
Bodenmechanik: BGG Consult Dr. Peter Waibel ZT-GmbH, Hohenems
ÖBA, Ausschreibung: Jenny Projekt-und Bauleitung, Thüringen